Irrweg Biosprit

182 Getreidesäcke mit jeweils 25 kg zeigten vor dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) symbolisch, wie viel Getreide in Deutschland als Ethanol in Verbrennern landet – 4450 kg minütlich. Misereor, das Hilfswerk der katholischen Kirche, und Greenpeace rufen zu einer gemeinsamen Petition „Kein Essen in den Tank“ auf. Die Forderung: Um die weltweite Verfügbarkeit sicherzustellen, dürfen Getreide und Ölsaaten nicht länger als Energieträger verheizt werden. Die Bundesregierung sollte die Beimischung von Biokraftstoffen zu Benzin und Diesel umgehend beenden und dazu das Bundesimmissionsschutzgesetz entsprechend ändern.

Rund 20 Prozent des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes in Deutschland sind auf den Autoverkehr zurückzuführen. Mit dem Ziel, den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten, müssen Treibstoffe in Deutschland seit 2007 einen Mindestanteil an Biokraftstoffen enthalten. Dazu werden wertvolle Lebensmittelpflanzen wie Rüben und Weizen zu Ethanol verarbeitet und dem Benzin beigemischt oder Pflanzenöle, etwa aus Raps, den Dieselkraftstoffen. Dabei schadet der intensive Anbau von Energiepflanzen nicht nur Klima und Artenvielfalt.

In 30 Städten wurde am 21. Mai 2022 für ein Ende der Beimischung von Biosprit zu Benzin und Diesel protestiert. Anhand aufgestellter Mehlsäcke zeigte Greenpeace auch am Platz der deutschen Einheit in Dortmund, welche Mengen an essbarem Getreide für die Zapfsäulen in Dortmund verwendet werden. In Dortmund wandern pro Tag 1.860 Säcke mit jeweils 25 Kilo Getreide in den Tank.

Biosprit ist nicht klimaneutral

In den Berechnungen, die den Nutzen des Biosprits für das Klima belegen sollen, wird der Flächenverbrauch für den Anbau der sogenannten Energiepflanzen nicht berücksichtigt. Dabei belegen zahlreiche Studien – unter anderem im Auftrag der EU – dass dafür bislang unbewirtschaftete Flächen neu erschlossen werden. Dabei werden natürliche Ökosysteme zerstört, die CO2 binden und für den Erhalt der Artenvielfalt unverzichtbar sind. Zwar binden Pflanzen wie Weizen und Zuckerrüben Treibhausgase aus der Luft, die erst bei der Verbrennung im Motor wieder freigesetzt werden. Aus dem Auspuff quillt also nicht mehr Kohlendioxid, als die Pflanze vorher gespeichert hatte. Allerdings entscheidet die gesamte Produktionskette – vom Anbau bis zur Zapfsäule – über die Klimabilanz: Bei der Feldarbeit mit Landmaschinen, bei der Stickstoffdüngung sowie der Herstellung von Mineraldünger entstehen große Mengen Klimagase. Und die Weiterverarbeitung der Ernte zu Ethanol oder Biodiesel benötigt nochmals viel Energie. Selbst unter optimalen Bedingungen wie etwa der Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien ist der positive Klimabeitrag von Agrosprit nur gering.

Berücksichtigt man dann noch, dass für den Anbau von Energiepflanzen wertvolle Naturräume wie etwa Urwälder zerstört werden, fällt die Klimabilanz eindeutig negativ aus. Der Flächenbedarf für die Herstellung von Biosprit ist so groß, dass nur durch eine weltweite Ausdehnung des Ackerbaus der zusätzliche Bedarf gedeckt werden kann. Auf bereits landwirtschaftlich erschlossenen Flächen werden Biosprit-Pflanzen angebaut, um den Bedarf an Ethanol für europäische Autotanks zu decken. Für andere Nutzungsarten – zum Beispiel den Anbau von Ölpalmen für die Kosmetikindustrie – werden weitere Wälder gerodet. So wird Klimaschutz zur Farce: Urwälder sind natürliche CO2-Speicher. Sie durch Abholzung oder gar Brandrodung zu zerstören, erhöht den weltweiten CO2-Ausstoß.

Nahrung statt Sprit

Die Verarbeitung von Agrarpflanzen zu Kraftstoffen statt zu Nahrungsmitteln ist für steigende Lebensmittelpreise, Hunger und Urwaldzerstörung verantwortlich. Der Anbau hat mit „bio“ nichts zu tun. Die Pflanzen wachsen meist in stark mit Stickstoff gedüngten und mit Pestiziden behandelten Monokulturen.

Auch durch den Krieg in der Ukraine drohen Ausfälle bei der Lebensmittelversorgung. Das Land ist der fünftgrößte Exporteur von Weizen und ein führender Erzeuger von Sonnenblumenöl. Vor allem Länder im Mittleren Osten und in Norden und Osten Afrikas sind in hohem Maße von Einfuhren aus der Ukraine und aus Russland abhängig. In vielen Regionen sind Folgen der Klimakrise zu spüren, sie leiden unter Dürre. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist bereits gefährdet. Jetzt sind die Preise für die wichtigsten Lebensmittel auf Rekordniveau und sie werden für immer mehr Menschen unerschwinglich.

Mit einem Ausstieg aus der Erzeugung von Biokraftstoffen könnte Deutschland angesichts der drohenden weltweiten Hungerkrise zusätzliches Getreide und Pflanzenöl zur Verfügung stellen. Misereor und Greenpeace fordern daher die Bundesregierung auf, die Beimischung zu fossilen Kraftstoffen umgehend zu beenden.

https://www.misereor.de/petition-kein-essen-in-trog-und-tank

https://act.greenpeace.de/kein-essen-in-trog-und-tank

https://www.greenpeace.de/klimaschutz/mobilitaet/biosprit-umweltpolitischer-unfug